Katharina Schnitzler

Die 1963 in Düsseldorf geborenen Malerin Katharina Schnitzler ist eine Forscherin im Dazwischen. Sie konfrontiert uns mit der Wahrnehmung unserer angenommenen Realitäten, schafft Bildwelten, die auf subjektive Weise das menschliche Bedürfnis nach ­Lösungen erfüllen.

In ihrer Arbeit überlagert Katharina Schnitzler unzählige Texturen, Farbschichten, Zeichnungen und Texte. Es entstehen Gemälde – installiert, ­poetisch, tief, witzig, eng verwoben und dabei brutal und schön zugleich! (Michael M. Marks)

 

Weitere Infos

1000 Afrikaner (Projekt 2015)

Angespülte Schicksale. Weit weg von meiner Geschichte und doch so nah. So traurig, tragisch. Und … stopp – denn die Medaille hat zwei Seiten. So ist dein Lachen meins, so weit weg und doch so nah. Und bringe mich ein, reiche eine Hand, mache mein Herz auf.

„1000 Afrikaner“ – ein Projekt von Katharina Schnitzler, ­unendlich abstrakt und zugleich so real. „1000 Afrikaner“ ist das Schicksal Hunderttausender, aber auch das jedes einzelnen und schlussendlich auch das meinige.

Das Überleben – das Reichen einer Hand, so schön wie der Tau auf der Blüte. Die Wurzel herausgerissen. Sie ist so unendlich begierig auf neue, frische Erde. Bereit zu wachsen. Das Bild – zwei Teile, wie Herz und Hand. Autonom und trotzdem ver­woben. Ein Abbild mit Pflanze als Symbol für ein Schicksal, aber auch Aufruf, wach zu sein. Und da zu sein. Mehr nicht.

Biografie Katharina Schnitzler

1963 in Düsseldorf geboren
1995 –1999 Diplom Kunsttherapeutin und Pädagogin, FH Ottersberg
1999 – 2003 Master of Art, UdK Berlin

Katharina Schnitzler lebt und arbeitet in Berlin und unterwegs.

Einzelausstellungen/Beteiligungen (Auszüge)
1993 Generator Gallery, New York (mit Con Schnitzler)
2006 Kunstverein Kunsthaus Potsdam; Galerie Hellenthal Berlin
2007 „Landminen“, Deutscher Bundestag Berlin; Galerie Stadt Eberswalde
2008 Galerie Golkar Berlin; Galerie Meisterschüler Berlin; „Landminen“, Urania Berlin
2010 Kunstverein Altes Rathaus Musberg
2011 Galerie mianki Berlin; Uferhallen Kunstaktien Berlin
2012 Galerie purple canvas München; Kunstverein im Schloss Jindrichuv Hradec (CZ)
2013 Opening Kunsthalle Deutsche Bank Berlin
2014 Galerie mianki Berlin
2015 ARTHERB Wetzlar

Publikationen + Projekte
2008 „Glück gefunden“, Kunst-Bilderbuch mit Ulrike Folkerts
2009 Dozentin bei der 12. Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst Dresden
2015 „1000 Afrikaner“, Wanderausstellung durch verschiedenen Städte. Wetzlar ist die erste Station des Projektes „1000 Afrikaner“ von Katharina Schnitzler. Weitere Städte folgen …

Video zur Eröffnung der Schnitzler Ausstellung

Videointerview mit K. Schnitzler

Rede von Joana Tischkau zur Vernissage am 8.Mai 2015

Willkommen. Fragezeichen.
Wie ein Publikum begrüßen welches gekommen ist um eine Arbeit zu betrachten welche nach einer Willkommensgeste sucht?
Wie anfangen über Bilder zu sprechen die eine vermeintliche Angst vor Berührung durch ihre Symbolik überwinden möchten?
Zuallererst möchte ich mich vorstellen. Mein Name ist Joana Tischkau, ich verstehe mich selbst auch als Künstlerin die zwischen den Disziplinen Tanz, Theater und Performance arbeitet. In meiner eigenen Arbeit versuche ich mich unter anderem künstlerisch-kritisch mit Rassismus, Sexismus und dem Blick und Diskurs um und auf schwarze Körper auseinander zu setzten. Ich möchte Einblicke in meine Lebensrealität als schwarze Frau in Deutschland geben, und das tue ich auch heute, hier. Ich habe keine Flucht Erfahrung, und auch definiere ich mich nicht über meinen sogenannten Migrationshintergrund. Ich bin keine Afrikanerin, an manchen Tagen bezeichne ich mich vielleicht als afro-deutsch, aber meistens bin ich schwarz.
Was aber legitimiert mich nun dazu heute hier zu sein und über Katharina Schnitzlers Arbeit ‚1000 Afrikaner’ welche die aktuellen Bilder Geflohener vor den Küsten Europas als Ausgangspunkt nimmt, zu sprechen?
Vor knapp 4 Wochen kam Jaqueline Wood zu dem monatlichen Treffen der Regionalgruppe der ISD. Mein erster Gedanken war die Freude darüber ein neues Gesicht in der Runde zu sehen. Die ISD als bundesweiter Verein ist ein Zusammenschluss Schwarzer Menschen in Deutschland der es Sich zum Ziel gemacht hat die Interessen hier lebender Schwarzer Menschen zu vertreten, ein Netzwerk dieser zu etablieren, Schwarzes Bewusstsein zu fördern und sich gegen Rassismus einzusetzen und zu engagieren. Mir dienen die monatlich statt findenden Treffen als geschützter Raum in welchem ich über meine persönlichen Erfahrungen aber auch über gerade in den Medien aktuelle Diskussionen und Debatten zum Thema Diskriminierung und Rassismus (wie z.B. die aktuelle Berichterstattung zu Europas Flüchtlingspolitik)sprechen kann. Dieser Raum ist auch gefüllt mit Konversationen welche mich daran erinnern dass es sich bei meinen Erfahrungen rassistischer Diskriminierung nicht um Ausnahme Situationen und Begegnungen handelt sondern dass Rassismus strukturell und systematisch unser aller Denken bestimmt, in unserem Gesellschaftlichen Miteinander verortet ist.
Wie auch Katharina Schnitzler in ihrem Werk ‚1000’ Afrikaner keine politisch-korrekte Vollkommenheit für Sich beanspruchen kann und vielleicht auch nicht möchte, behebe auch ich keinen Anspruch auf eine allgemein Gültige Wahrheit sondern gebe ihnen Eindrücke wieder die mir als Rezipientin ihrer Kunst gekommen sind.
Als Jaqueline uns das erste Mal von diesen Arbeiten erzählte war ich irritiert. Als ich mir dann später einige Beispiele der Serie 1000 Afrikaner anschaute war ich wütend. Ich war wütend, wütend, angesichts so viel vermeintlicher Naivität, Verallgemeinerung, Stereotypisierung und einer in meinen Augen inflationär verwendeten Symbolik.
Warum handelte es sich um 1000 Afrikaner? Wo waren die Afrikanerinnen?
Handelte es Sich nur um männliche Schwarze Subjekte, in den Augen einer weißen Frau?
Welche Bilder von Afrika werden hier produziert, benutzt, erzeugt? Das Bild des zwar exotischen und farbenfrohen doch zugleich von Armut und Krieg gebeutelten Kontinents, dem durch diese Darstellungsweise wie allzu oft seine Vielfältigkeit abgeschrieben wird? Offizielle Statistiken dokumentieren dass nur ein kleiner Teil der derzeit in Deutschland ankommenden Asylsuchenden afrikanischer Herkunft sind. Die Mehrheit kommt aus den aktuellen Krisengebieten wie Syrien aber auch den europäischen Nachbarländern Kosovo und Albaniens, und ja ein Teil kommet auch aus Nordwestafrika, Eritrea um genau zu sein. Inwieweit kann also der Titel dieser Arbeit repräsentativ für die medial omnipräsente Welle Geflohener sein? Sind es nicht genau diese von den Medien verbreiteten Bilder von in Booten sitzenden Schwarzen Menschen die uns dazu bringen in jedem Menschen dunkler Hautfarbe dem wir begegnen einen Geflohenen, Vertrieben zu sehen? Führt diese verallgemeinernde Darstellung nicht zu einer weiteren Stigmatisierung aller in Deutschland lebender Schwarzer Menschen? Werden in diesen Bildern Fragen nach einer in Deutschland nicht vorhandenen Willkommenskultur gestellt? Möchte diese Arbeit diesen Stein ins Rollen bringen?
Eine Begrüßung mit Blumen? Ist diese Idee nicht fern von der Realität wie Sie ferner nicht sein kann? Meiner Erfahrung nach, zum Beispiel im Erstaufnahmelager in Friedland, werden Asylsuchende, systematisch in ganz und gar nicht einladenden Unterkünften untergebracht, teilweise in der tiefsten Provinz oder gar in Gegenden mit starker Präsenz rechtsextremer Gruppierungen. Diese Bilder kennen wir auch alle all zu gut aus den Medien.
Katharina Schnitzler treibt mit ihrer Serie 1000 Afrikaner die Reduzierung und Generalisierung so weit dass Schicksale nur durch ihre Nummerierung voneinander unterschieden werden, Afrikaner 976, neben Afrikaner 977, 978….
Bringt diese Praxis doch gleichzeitig Erinnerungen an die Diaspora, den transatlantischen Sklavenhandlung, deutsche Kolonialgeschichte und natürlich auch die Kennzeichnung der Häftlinge in den Konzentrationslagern des Nationalsozialismus mit sich. Dieser enthumanisierenden Geste welche in Identitätsverlust mündet, ist die verführerische Schönheit der abgebildeten Blumensträuße entgegengesetzt.
Und halt. Einen Moment Luft holen.
Ich spüre: ich bin berührt. Ich lasse mich ein. Ich stehe nun hier und habe mich mit Elan und sehr intensiv mit der Malerei von Katharina Schnitzler auseinandergesetzt. Trotz meiner kritischen Lesart berühren die Bilder mich durch ihren poetischen Charme. Sind Sie nicht ein wunderbarer Anfang einer Auseinandersetzung mit einem gewaltigen Thema? Ein Spiegel vielleicht unsere eigen verallgemeinernde Sichtweise zu hinterfragen? Eine engagierte Künstlerin, die über Ihre Kunst mit uns als BetrachterInnen darüber in Kontakt kommen will? Ihre eigene Verzweiflung Überforderung aber auch vielleicht ihre Naivität offen legt um die Grundlage für ein Gespräch, eine Diskussion zu legen. Ich sehe Mut machendes Potential, einen Anstoß, den Wunsch und Aufruf uns zu öffnen, zuzugehen, einen neuen Umgang zu finden mit jenen Menschen, die da zu uns kommen?
Die Malereien in ‚1000 Afrikaner’ zeigen aber doch gar keine Geflüchteten und auch keine Schwarzen Menschen sondern Blumen.
Blumen; der Erde entrissen, entwurzelt.
Wer oder was ist es welches uns entwurzelt? Was ist das genau dieses Gefühl der Entwurzelung, und wie können wir es überwinden? Ich werde oft nach meinen Wurzeln gefragt, wo Sie denn lägen, was Sie denn wären und ob ich mir nicht etwas fehlen würde, durch die Ungewissheit ihrer exakten Definition. Für mich bedeutet dieser ständige Verweis auf meinen vermeintlichen Ursprung, meine Verbundenheit zu einem angeblichen Ausgangspunkt auch, nie richtig ankommen zu können. Immer an eine vermeintlich Reise, aus dem dort, hin zu dem hier erinnert zu werden. Wie mag es da den Geflüchteten gehen? In meinen Augen birgt die Arbeit ‚1000 Afrikaner’ also auch die Frage wie wir eine Atmosphäre der Zugehörigkeit für die in Deutschland nach Asyl suchenden schaffen können ohne dabei ständig auf ihre mutmaßliche Heimatlosigkeit hin zu weisen. Denn sonst definieren wir ihre Identität einzig und allein durch ihr Schicksal, das Schicksal des Geflüchteten, Menschen verlieren ihre Gesichter und……….. werden zu Blumen.
Ich sehe in der Arbeit aber auch den Aufruf diese Lesart, meine Lesart zu hinterfragen, miteinander in Gespräch zu kommen. Den Aufruf anders zu schauen, etwas anderes zu sehen, Blumen, Menschen, Afrikaner, Geflohene, mich und Sie, Blumen als Willkommensgruß, Blumen als Verabschiedung für einen Verstorbenen, einfach nur Blumen. Bilder welche uns zu tiefst berühren, erschüttern und im gleichen Moment unendlich lähmen. Wie umgehen mit der Überforderung, Verzweiflung, der Angst vor der eigenen Unwissenheit diese Themen verhandeln zu können, zu dürfen? Wie das Gesehene, das Gesagte wahrnehmen, reflektieren, wie darüber sprechen?
Dies ist ein Versuch.
Willkommen. Ausrufezeichen.